Rambo mit Happy End

Wenn der Bus Verspätung hat, wird der Fahrer verprügelt. Wer eine abweichende Meinung hat, wird niedergebrüllt. Ein anderer Pass, ein anderer Glaube, ein anderes Geschlecht – das ist eine Morddrohung wert. Der Alltag ist laut Sozialpsychologen deutlich aggressiver geworden. Aber wie navigiert man durch ein Pulverfass? Deeskalation ist die Löschdecke, die Rettung auch in extremen Situationen verspricht.

Agieren statt reagieren

There is no glory in prevention? Im Gegenteil! Ex-Marine Patrick von Horne beschreibt für Konflikte eine Timeline, in der Angriff die Stunde Null darstellt. Davor, also „Left of Bang”, so auch der Titel seines Buches, haben wir die Möglichkeit proaktiv zu agieren. Wer Herr der Lage bleiben will, muss also Warnsignale erkennen. Dazu gehört auch, zwischen kalter oder heißer Aggression zu unterscheiden.

Bei Mobbing, Stalking oder Amoktaten spricht man von kalter Aggression, sie ist kontrolliert, strategisch und kann über Monate, sogar Jahre aufrecht gehalten werden. Die Ursache: meist ein erlebter Missstand, eine Demütigung, die sich als Gefühl des Dauer-Defizits festsetzten. Einschüchterung und zielgerichtete Aktionen sollen diesen Umstand ausgleichen.

Heiße Aggression dagegen entsteht aus einer Situation heraus, die als Provokation empfunden wird. Wut und Rage steigen rasant an und bahnen sich ihren Weg nach außen. Dieses Stress-High hält nur 30 Sekunden, kommt keine Gegenwehr oder fehlt es an Interaktion, ebbt die Wut ab. Eine halbe Minute Geduld, um wieder Frieden herzustellen? Ist doch gar nicht so schwer, oder doch?

Wer selbst nicht in Balance ist, lässt sich leichter provozieren. Aber Stressmanagement lässt sich trainieren: Bei der Selbstregulation hilft schon sich vor Augen zu führen, dass aggressive Leute sich in ihrem Selbstwert bedroht sehen. Auch das „10 for 10“-Prinzip aus dem Schockraum ist erprobt, um überlegt zu handeln – 10 Sekunden Zeit nehmen, um einen Plan für die nächsten 10 Minuten zu schmieden und zu überlegen: Was will ich erreichen, in welcher Umgebung bin ich, wer kann unterstützen?

Haltung statt Harakiri

Aber nicht nur die Emotionen des Gegenübers spielen eine Rolle, auch das eigene Stresslevel muss vorab reguliert werden. Je angespannter wir selbst sind, desto weniger kontrolliert können wir agieren.

Atemübungen helfen beim Runterkommen, z.B. die Blockatmung 4-4-4, 4 Sekunden durch die Nase ein-, 4 Sekunden durch den Mund ausatmen, 4 Sekunden vor dem nächsten Luftholen warten. Um im direkten Kontakt Emotionen zu nehmen, sind Respekt und ein Umgang auf Augenhöhe unerlässlich. Offene Nachfragen signalisieren Interesse: Was ist los? Was ist gerade schwierig für Sie? Mehr noch als Wortwahl und Stimme zählt jedoch die Körpersprache. Sie ist mit 55 Prozent in der Kommunikation das auschlaggebende Instrument und wird umso wichtiger, je öffentlicher und überraschender der Konflikt passiert. Denn: Potenzielle Täter scannen mögliche Opfer. Ein gerader Rücken, zielgerichteter Gang, wachsamer Blick signalisieren Selbstsicherheit und machen einen Angriff unwahrscheinlicher.

Grenzen statt Gegenwehr

Es gibt jedoch Momente, in denen trotz aller Prävention ein Konflikt zu eskalieren droht. Auch in Notfällen sind Ruhe und Respekt der Schlüssel, um sich nicht in die Konfliktdynamik verstricken zu lassen.

Knüpfen Sie Angebote („Wir finden eine Lösung…”) an Bedingungen („Dafür müssen Sie sich aber beruhigen…“). Gegenargumente würden, egal wie richtig und logisch sie scheinen, nur zu Abwehrreaktionen führen und in einer angespannten Konstellation geht Konsens über Dissens. Es geht den meisten um Respekt, Akzeptanz und Zugehörigkeit – diese Grundbedürfnisse müssen im Gespräch hergestellt werden. Und manchmal sind alle Möglichkeiten der Deeskalation ausgeschöpft. Werden Sie akut mit einer Waffe bedroht oder sind allein, akzeptieren Sie die Überlegenheit und kommen den Anforderungen sicher und souverän nach. Kooperation ist dann die einzige Möglichkeit, einen nervösen Täter nicht zu provozieren.

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