Der will doch nur spielen

Hundebesitzer kennen diese Herrchen und Frauchen, die behaupten, ihr Vierbeiner sei ganz friedlich und wolle sicher nichts Böses, obwohl der bereits zähnefletschend auf der Wiese heranprescht und dann – huch! – zubeißt. Bei zwischenmenschlichen Bedrohungen wird nicht gebissen, sondern im schlimmsten Fall getötet. Mit Hilfe eines etablierten Bedrohungsmanagements kann aber frühzeitig interveniert werden.

Kein Tag vergeht,

an dem nicht ein gewalttätiger Übergriff auf Schulhöfen, in Behörden, Unternehmen, Arztpraxen oder im privaten Umfeld in den Schlagzeilen auftaucht. Dazu kommen Delikte, die es nicht in die Presse schaffen. 197.000 Fälle von Gewaltkriminalität wurden 2022 polizeilich bekannt. Ein großer Teil hätte verhindert werden können, denn Taten beginnen lange vorher – mit einer wütenden Mail, einem Auflauern vor der Haustür, einer direkten Drohung oder einem Post-it auf dem Schreibtisch. Beim Bedrohungsmanagement gilt es, diese ersten Warnsignale präventiv zu erkennen, um Konflikte rechtzeitig von außen zu deeskalieren und die bedrohte Person bzw. Personengruppe zu schützen.

Erkennen, Einschätzen und Entschärfen

Am Anfang der Dynamik steht zunächst immer ein subjektiv empfundener Missstand – das kann eine vermeintlich unfaire Behandlung und Kündigung sein oder unerwiderte Gefühle.

Nicht jeder kann diese Kränkung loslassen, fixiert sich zunehmend darauf und nimmt sie zum Anlass, sein irrationales Verhalten zu rechtfertigen. Stufe zwei ist der Punkt, an dem man schon einschreiten kann. Zu diesem Zeitpunkt wird Gewalt zu einer Option für drohende Personen, sie zeigen sich rigide in ihrer Wahrnehmung und bereit, die erlebte Ungerechtigkeit zu rächen, entwickeln Interesse an anderen Gewalttätern und -fällen, äußern z.B. Sätze wie „Sie haben mein Leben ruiniert, jetzt sind Sie dran!“, deuten also Rachepläne an, und recherchieren im Umfeld ihres Ziels. Je detaillierter, direkter und häufiger Drohungen formuliert werden, desto substanzieller ist die Gefahr! Betroffene sollten deshalb auch sicherstellen, dass sie nicht die einzigen sind, die über die Vorkommnisse Bescheid wissen, sich Verbündete, z.B. Vorgesetzte oder den Sicherheitsdienst, suchen und ihre Beobachtungen und ihr „schlechtes Bauchgefühl“ teilen – den Lieferwagen, der plötzlich jeden Tag vor der Haustür parkt, die Person, die ihnen folgt…

Wissen gibt Sicherheit

Zusammen ist man weniger allein – schon deshalb tut Hilfe von qualifizierten Personen gut.

Aber auch für die initiale Einschätzung des Risikos ist Expertise gefragt: Welche Informationen gibt es über den – es sind tatsächlich in 93 Prozent der Fälle Männer – potenziellen Täter? Welche Prädispositionen zeigt er? Oft sind paranoide oder schizoide Züge vorhanden oder querulantisches und aggressives Verhalten bekannt, eventuell gab es bereits Strafanzeigen. Ist die drohende Person im Besitz von Waffen? Je mehr Kenntnisse es gibt, desto besser. Denn in jedem Fall gilt: Die Vergangenheit ist die beste Prognose für die Zukunft.
Daneben muss auch das eigene Verhalten analysiert werden: Macht es Sinn, etwa den Arbeitsweg zu ändern? Können eine Geschäftsreise, ein Urlaub helfen, die Betroffenen kurzfristig aus der bedrohlichen Situation herauszunehmen? Auch sicherheitsgerechtes Verhalten sowie ein Buddy System sind wichtige sofortige Schutzmaßnahmen.
Das jeweilige Fallmanagement bleibt komplex – trotz aller Informationen und Regeln, denen Gewaltdynamik folgt. Es lässt sich nur situativ entwickeln. Hilft bei einem Gefährder eine Ansprache durch die Polizei, kann sie bei anderen die Dynamik sogar beschleunigen. Eine Alternative kann sein, die Drohungen ins Leere laufen zu lassen, weil viele Aggressoren vor allem Aufmerksamkeit oder Bedeutsamkeit wollen. Auch Strafanzeigen oder eine Mediation sind Optionen. Bei deutlich erhöhtem Risiko geben psychologische Persönlichkeits- und Verhaltensanalysen einen besseren Einblick in das Denken und Handeln des Täters.

Was über die umfassende Auseinandersetzung mit dem Täterprofil nicht vergessen werden darf, ist die betroffene Person selbst. Sie braucht in so einer Situation vor allem Unterstützung, um mit Angst, Unsicherheit und Stress umzugehen. Das ist ein Kernelement eines umfassenden Bedrohungsmanagements. Denn das Gefühl von Sicherheit und Schutz ist Voraussetzung dafür, dass Menschen sich frei bewegen und entscheiden können.

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